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michael herrschel:
wer bist du?

 

personen:

SEELE Sopran

JESCHU Altus/Bass

 

 

SEELE

Es rumpelt. Die alte Weltmaschine

enthüllt sich. Die Sphären-Harmonika!

Seht ihr sie sausen? Kristallschalen:

Groß. Weit. Bis ins All: Kuppel

über Kuppel in rasendem Umschwung.

Das rattert, klingt, singt und schreit!

 

JESCHU (Altus)

Lass mich heraus! Aus meinem kreiselnden
Korsett. Aus den verflixten Flüsterschalen.
Ausbüchsen will ich. Durch die Flaschenhälse
raus in die Luft. Ich ersticke. Bitte befrei mich!
Zieh den Korken. Mach doch. Lass mich doch heraus!

 

SEELE (gleichzeitig)

Wolken reiben sich wund an den Riesengläsern.
Die wie verrückt rotieren. Zwischen ihnen
macht sich Feuer breit. Farbe kreischt und
knallt mir in die Augenbälle. Ha! Jetzt teilt sich
der Himmel. Die Scherben wirbeln durcheinander! –

(allein)

Uns um die Ohren. Ein sengender Flammenwind
rollt auf uns zu. Springt von uns weg. Lässt uns
allein in der öden Steppe. In der Dämmerung.

 

JESCHU (Bass)

Angst. Ich habe Angst.


SEELE

Wie? Wer spricht hier?


JESCHU

Lass mich erklären –


SEELE

Wer bist du? Deine Stimme verwirrt mich.
Ich kann dich nicht sehen.


JESCHU

Das tut mir leid. Ich will nichts weiter sein –

 

SEELE

Nichts weiter als was?


JESCHU

Nichts als ein Mensch.

 

SEELE

Ein Mensch?
Was hindert dich daran?

 

JESCHU

Lange zu lange schon bin ich an Anderes gewöhnt.
Wohlige Schauer der Leute da: wenn ich mich
vor ihnen verbrenne. Allen Alles gebe. Unmöglich!
Darum will ich es. Ich träume. Ich sehne mich
so süchtig unfassbar weit über alle Grenzen hinaus.


SEELE (gleichzeitig)

Deine Stimme. Was ist das? Du reißendes Lamm.
Du sanfte Löwin. Deine vielen Stimmen: Welche
ist die wirkliche? Du gnadenlos gejagtes Herz.
Ich bin keine Jungfrau die dich erlöst. Und keine
Büßerin die überallhin mitgeht. Warte doch mal! –
(allein)

Ich suche deine Augen.

Kannst du mich sehen?
Oder wo bist du jetzt?

JESCHU (Altus)

In meinem puren Leben. Hilflos. Ohne Kostüm.
Ohne Maske. Sag du mir: Was ist Kälte? Hitze?
Hunger und Durst? Ich war von allem getrennt.
Als ich schlief. Gefangen im Eisen. Im Stein. Nur
das Glas: Das war zerbrechlich. Zu meinem Glück…


SEELE (gleichzeitig)

Läufst du verloren durch die Nacht? Und bettelst
um eine Decke? Um einen Schluck Wein und ein
Stück Brot? Erkenne ich dich? Ich möchte dich
beschützen. Mit dir atmen. Die selbe klare Luft.
Verschwörerisch wach sein unter flüchtigen Sternen…

 

copyright by michael herrschel (gema-nr. 704152)

    

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